Pracht-Höckerschildkröte

Graptemys oculifera

Taxonomie:

This is one of the most beautiful of the American tortoises … schrieb Georg Baur 1890 in der Erstbeschreibung. Er hatte sich dafür Exemplare von Gustave Kohn geborgt, die von Kohn in New Orleans auf dem berühmten French Market gekauft worden waren (Beyer 1900, Lindeman 2013). Baur benannte sie als Malacoclemmys oculifera. Drei Jahre später im Jahr 1893, folgte Baur der Ansicht von Louis Aggasiz (1857) und transferierte sie zur Gattung Graptemys (Baur 1893). Von da an hat Graptemys oculifera ihn ihrer taxonomischen Geschichte immer wieder für Diskussionen über ihre genaue Zuordnung gesorgt.

1917, 1923 und 1933 wurde sie von Stejneger & Barbour als Unterart von Graptemys pseudogeographica (Graptemys pseudogeographica oculifera) angesehen, aber 1939 und 1943 von den beiden Autoren als eigene Art behandelt.

 

Fred Cagle sammelte 1949 mit seinen Studenten weitere Tiere aus dem Pearl und Bogue Chitto River. Er verfasste 1953 ihren Status neu und setzte sie eindeutig als eigene Art fest.

 

Nachdem 1954 die beiden anderen Sawbacks dazugekommen waren, gab es von da an immer wieder Meinungsverschiedenheiten, ob Graptemys oculifera nicht die Nominatform von Graptemys flavimaculata sei (Mertens & Wermuth 1955, Artner 2008). Diese Frage ist durch die genetische und äußere Ähnlichkeit durchaus berechtigt, manche Exemplare sehen sogar fast identisch aus. Trotzdem kamen Ennen et al. (2010) zu dem Entschluss, dass Graptemys oculifera und Graptemys flavimaculata getrennte Arten sind; da G. flavimaculata normalerweise mehr gelbe Pigmentierung am Carapax hat, längere Flecken hinter den Augen aufweist, mehr gelbe Linien auf der Kopfoberseite besitzt, die mit den postorbitalen Flecken verbunden sind, und eine breitere interorbitale Linie als G. oculifera hat.

oculifera stammt aus den lateinischen Wörtern: oculus = Auge, Ringe und fero = etw. tragen, oculifera = die Ringe tragende, zweifellos in Anlehnung an die Ringe am Carapax (Lindeman 2013, Böhm 2012).

Beschreibung:

Graptemys oculifera zählt zu den kleinen schmalköpfigen Höckerschildkröten. Weibchen werden 13 bis 21,5 cm (durchschnittlich 15,6) groß. Männchen bleiben mit durchschnittlichen 8,9 cm (7,2 bis maximal 10,9 cm) viel kleiner.

Die Grundfarbe des Carapax ist hell-oliv bis dunkelgrün. Die ersten vier Vertebralschilde besitzen lateral ansteigende schwarze Spitzen, besonders ausgeprägt auf dem 2. und 3. Wirbelschild, und sind umgeben von gelben oder orangen Streifen. Diese Spitzen sind sehr auffallend bei Jungtieren und adulten Männchen, bei Weibchen sind sie nur noch klein und rundlich. Jedes Pleuralschild trägt einen hellgelben oder leuchtend orangefarben breiten Ring, der gelegentlich durch das nächste Pleuralschild unterbrochen sein kann oder auch zweigeteilt ist. Selten gibt es Flecken wie bei Graptemys flavimaculata. Die Marginalschilde sind gezeichnet mit einem halbkreisförmigen Ring.

Der Plastron ist gelb bis orange und verfügt über eine breite und dunkle Pigmentierung entlang der Schildnähte. Bei manchen Exemplaren kann der Plastron auch vollständig dunkel pigmentiert sein.

Die Haut ist dunkelgrau bis schwarz mit gelben Streifen. Hinter den Augen befindet sich jeweils ein ovaler-, Beistrich- oder tropfenförmiger Fleck. Zwischen den beiden postorbitalen Flecken zieht sich ein Streifen bis zur Nasenspitze. An der Kopfseite verlaufen ausgehend vom Hals zwei auffallend gelbe Streifen, einer davon erreicht das Auge und ein weiterer endet zwischen dem oberen Kiefer und dem Orbit. Am Kinn befindet sich ein horizontaler Balken, der an den Enden in Halsrichtung verläuft.

Die Männchen haben längere Schwänze und die Kloakenöffnung weit hinter dem Rand des Rückenpanzers. Die Vorderkrallen sind sehr stark verlängert und der Carapax ist im Körperverhältnis wesentlich flacher als bei den Weibchen.

Lebensraum und Verbreitung:

Das Einzugsgebiet des Pearl Rivers im süd-zentralen Mississippi ist Lebensraum von Graptemys oculifera. Der Pearl River befindet sich zum Großteil im Bundesstaat Mississippi, bildet aber im Süden auf einer Länge von 187 Kilometer die Grenze zu Louisiana. 80 Kilometer oberhalb der Mündung teilt er sich in den East und West Pearl River. Beide Flüsse münden in den Lake Borgne, von da aus erreicht das Wasser schließlich den Golf von Mexico.

Graptemys oculifera ist vorwiegend im Pearl River verbreitet, weiterhin in den Zuflüssen Bogue Chitto River, Yockanookany River, im Copiah Creek, Mikes und Strong River. Flussabwärts reicht ihr Vorkommen im West Pearl River bis etwas nördlich der Interstate 10 in der Nähe der Stadt Pearl River (Kofron 1991, Jones & Selman 2009, Lindeman 2013). Insgesamt entsteht dadurch im Pearl und Bogue Chitto River ein über 875 Kilometer langes Verbreitungsgebiet für Graptemys oculifera, kleinere Zuflüsse sind dabei nicht miteingerechnet (Jones & Selman 2009). Graptemys oculifera bewohnt auch angrenzende Altwasserseen und wurde sogar in den Baggerseen des Stennis Space Centers sowie auch in den künstlich angelegten Teichen des LeFleur's Bluff State Park, fast inmitten der Stadt Jackson, entdeckt (Lindeman 1998; Kofron 1991; Keiser 1994, zit. in Lindeman 2013; Jones & Selman 2009).

Etwa in der Mitte des Pearl Rivers, etwas nordöstlich von der Hauptstadt Jackson, wird das Ross Barnett Reservoir aufgestaut. Dieses 48 Kilometer lange Staubecken unterteilt das Vorkommen von Graptemys oculifera in zwei Hälften. Im Ross Barnett Reservoir wurden zwar auch vereinzelt Tiere beobachtet (Lindeman 1998), diese sind aber möglicherweise während Überschwemmungen dort hinein gespült worden. Es gibt keine Anzeichen für eine reproduzierende Population in diesem Wasservorratsbecken (Jones & Selman 2009).

Etwas flussaufwärts des Ross Barnett Reservoirs, in der Nähe von Ratliff Ferry, liegt der Ringed Sawback Sanctuary. In diesem 19 km langen Schutzgebiet und den umliegenden Flussgebieten leben die größten Graptemys oculifera-Populationen.

Ein Teilabschnitt des Ringed Sawback Sanctuary

Der Pearl River ist ein stark mäandernder Fluss, in dem der Bodengrund aus Sand, Lehm oder Kies und in Abschnitten mit geringer Strömung aus Schlamm besteht. Die Flussbreite beträgt am Oberlauf ca. 20 Meter. Dort fliesen pro Sekunde durchschnittlich 85.000 Kubikmeter Wasser hindurch. Im unteren Drittel erreicht die Flussbreite 110 Meter und die Durchflussrate beträgt ca. 425.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde (Jones & Hartfield 1995). Der niederschlagsreichste Monat ist der März, die Flusspegel erreichen ihren Höhepunkt bis zum April und ihren Tiefpunkt im September (Jones 2006).

Weitere Schildkrötenarten, die auch im Pearl River leben sind: Graptemys pearlensis, Sternotherus carinatus, Sternotherus odoratus, Trachemys scripta elegans, Pseudemys concinna concinna, Apalone spinifera, Apalone mutica, Macrochelys temminckii und Chelydra serpentina (Lovich et al. 2009). Des Weiteren wurde schon über die Existenz von Graptemys p. kohnii im Pearl River berichtet (Ernst & Lovich 2009).

Lebensweise:

Die meisten Berichte über Graptemys oculifera sagen aus, dass eine mäßige bis starke Strömung, viele Sonnenplätze, flache Sandbänke und eine ganztägige Sonneneinstrahlung unentbehrlich für diese Schildkröten sind (Jones & Selman 2009). Lindeman (1998, 1999) betont in seiner ersten großen Studie über Graptemys die Bedeutung und Wichtigkeit von „Deadwood“. Graptemys oculifera bevorzugt vor allem ins Wasser ragende Bäume und deren Baumkronen zum Sonnenbaden. Obwohl ausreichende Ansammlungen von Treibholz und ins Wasser gefallene Baumstämme unerlässlich für große Populationsdichten sind und immer damit in Korrelation stehen, reicht dies alleine nicht aus. Auch die anderen Bedingungen müssen erfüllt sein, damit sich diese Schildkröten an bestimmten Flussabschnitten ansammeln und standorttreu bleiben (Lindeman 1998, 1999, 2013).

Von der bemerkenswerten Fähigkeit, auch gegen starke Strömung anschwimmen zu können, berichtet schon Cagle (1953). Er beobachtete zwei Exemplare, wie sie versuchten, an Nahrung zu kommen (Cagle vermutete Schnecken), die sich über der Wasseroberfläche auf der Unterseite eines Baumstammes befand. Sie paddelten dabei so hektisch aufwärts und gegen die Strömung, dass ihr Carapax mit dem vorderen Ende aus dem Wasser ragte, zugleich streckten sie ihren Hals auf die maximale Länge. Als sie die Schnecken (?) erwischt hatten, wurden sie kurz von der Strömung mitgerissen, aber gleich darauf schwammen sie wieder problemlos gegen die starke Strömung an.

Wachstum und Fortpflanzung:

Die Männchen werden mit einer Carapaxlänge von 7,2 bis 8,3 cm und einem Alter von 2,5 bis 4,5 Jahren geschlechtsreif. Weibchen entwickeln jedoch erst mit 10 bis 16 Jahren das erste Mal Eier, aber bereits ab einer Carapaxlänge von 13 cm (Jones & Hartfield 1995). Die Angaben und Ergebnisse zum Alter beruhen auf dem Bertalanffy-Wachstumsmodel und auf Untersuchungen von 8 adulten Weibchen (Jones & Hartfield 1995). Kofron (1991) vermutet einen Zuwachs von durchschnittlichen 8,4 mm pro Jahr, geht aber davon aus, dass die Weibchen etwas schneller wachsen und mit sieben bis acht Jahren geschlechtsreif werden.

Beim Balzverhalten führen die Männchen zitternde Bewegungen mit den Vorderbeinen aus, während sie dabei mit den inneren Seiten ihrer Vorderbeine und deren Krallen die Augenregion der Weibchen berühren. Jones (1991, zit. in Ernst & Lovich 2009) beobachtete am 27. April zur Mittagszeit eine Kopulation. Die Testis der Männchen erreichen im August und September ihre maximale Größe. So wird auch die Spermatogenese in dieser Zeit ihren Höhepunkt erzielen und die Testosteronwerte sind ebenfalls zu dieser Zeit (August – Oktober) am höchsten. Bei den Weibchen sind Östrogenhöchstwerte zweimal jährlich nachweisbar, mit Spitzen im April und August (Selman et al. 2007, zit. in Jones & Selman 2009).

Die Reproduktionsökologie dieser Art studierte Jones (2006) in den Jahren 1995 und 1996. Aufgrund der hohen Populationsdichte wählte Jones als Studiengebiet das schon erwähnte Flusssegment oberhalb des Ross Barnett Reservoirs. Die Flussbreite kann dort eine Breite von 40 Metern in Seitenarmen bis hin zu 200 Metern in manchen Einbuchtungen erreichen. Die Wassertiefe liegt weniger als zwei Meter bis hin zu mehr als neun Meter. Jones hatte insgesamt 705 adulte Weibchen gefangen, davon wurden 670 als geschlechtsreif eingestuft. Nach dem Einfangen wurden sie markiert, vermessen und gewogen. Geschlechtsreife Weibchen wurden außerdem palpiert und wenn Eier zu ertasten waren, wurden sie noch geröntgt, um die Anzahl von Eiern und die Häufigkeit jährlicher Gelege herauszufinden. Die adulten Weibchen lagen in der Größe von 11,1 cm bis 21,5 cm (269 – 1457 Gramm). Das kleinste geschlechtsreife Weibchen hatte mit 13 cm und 319 Gramm die ersten Eier in sich. Durchschnittlich sind die Eierlegenden Weibchen 16,5 cm groß und wiegen 627,9 Gramm. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass in diesem Flusssegment die G. oculifera nicht wie bei G. nigrinoda und G. flavimaculata an den Oberläufen der Flüsse eher kleiner sind, sondern dort sowohl die kleineren Weibchen als auch die größten vermessenen Weibchen existieren. Das liegt möglicherweise am Ross Barnett Reservoir. Denn vor dem Staudamm entsteht eine ähnliche Flusscharakteristik wie in Mündungsgebieten. Bei Graptemys flavimaculata und Graptemys nigrinoda ist dies mitunter ein Grund für besonders großwerdende und schwere Weibchen in Mündungsnähe.

Bei den untersuchten Weibchen variierte die Anzahl der Eier von 1 bis 10 per Gelege. Durchschnittlich zeigten die Ergebnisse 3,66 Eier. Die Gelege und die Eianzahl standen in Korrelation mit der Größe und dem Gewicht der Weibchen, d. h., 19 mm mehr Carapaxlänge und ein um 225 Gramm erhöhtes Gewicht vergrößerten die Gelege um ein zusätzliches Ei.

Die Nistsaison begann in beiden Jahren Mitte Mai, endete Mitte Juli und dauerte insgesamt jeweils 67 Tage, wobei nur die größeren Weibchen bereits am Beginn der Legesaison und ebenso bis zu deren Ende Eier enthielten. Jones errechnete eine jährliche Gelegefrequenz von 0,96 bis 1,42 – das ist erschreckend wenig. Manche Weibchen scheinen sich nicht jedes Jahr fortzupflanzen, da sie auch bei mehrmaligem Einfangen nie trächtig gefunden wurden. Vor allem bei den kleinen Weibchen mit 13 bis 14 cm hatten nur 7 Prozent ausgebildete Eier in sich. Dieses Ergebnis könnte allerdings verfälscht sein, da Jones nur 175 von den insgesamt 670 geschlechtsreifen Weibchen ein zweites Mal und nur wenige davon mehrmals fangen konnte. Ferner müssten die Weibchen genau zu dem Zeitpunkt gefangen werden, wenn die ausgebildete Eischale am Röntgenbild sichtbar ist. Auch beim Palpieren und Wiegen könnten Weibchen, die gerade ihr Gelege abgesetzt hatten, deswegen als nicht trächtig eingestuft worden sein. In einer weiteren Berechnung kam Jones zu der Feststellung, dass die Weibchen etwa alle 17 Tage ein Gelege prodozieren konnten, daraus ergeben sich auf die Dauer der Nistsaison alljährlich drei bis maximal vier Gelege. In Anbetracht der im Vergleich zu anderen Graptemys-Arten hohen Populationsdichte dürften die Weibchen mehrere Gelege in einem Jahr schaffen. Weibliche Graptemys oculifera werden mit relativ geringer Größe geschlechtsreif, ähnlich wie Graptemys sabinensis oder Graptemys versa. Anders als G. flavimaculata im Unterlauf des Pascagoula Rivers werden diese erst mit 15,9 cm geschlechtsreif.

Jones berichtet auch über die Beschaffenheit der bevorzugten Eiablageplätze auf den 11 Sandbänken, die er untersuchte. Die Oberfläche der Sandbänke bestand zu 39 Prozent aus feinem Sand, 38 Prozent davon waren mit Gras überwachsen und 23 Prozent bewaldet, meist mit amerikanischer Schwarzweide. Die Weibchen legten ihre Eier hauptsächlich vormittags und im Mittelmaß 18 Meter vom Ufer entfernt. Sie suchten für gewöhnlich einen Platz mit feinem Sand, der innerhalb von 50 cm zu bewaldeter oder grasiger Vegetation lag. Die Oberflächentemperaturen erreichten 23 bis 49° C. Die ausgegrabenen Eihöhlen hatten zirka 6 cm im Durchmesser und waren oft nur 12 cm tief. In 10 Nestern wurde die Temperatur mit einem Data-Logger ermittelt. Diese lag im Mittelwert bei 27,86 °C und schwankte zwischen extremen 13,7 bis 37° C. Die niedrigsten Temperaturen lagen üblicherweise gegen 06.33 Uhr morgens, der Höchstwert wurde um 15.35 Uhr nachmittags erreicht.

Die gelegten Eier von Graptemys oculifera waren durchschnittlich 38,9 mm lang, 22,7 mm breit und wogen in der Regel 11,9 Gramm. Im Verlauf der Eiablagezeit wurden die Eier immer kleiner. So waren die gelegten Eier vom Mai mit 40,3 mm Länge größer als die vom Juni (38,9 mm), diese waren wiederum größer als die Eier vom Juli mit nur 36,8 mm Länge. In beiden Jahren schlüpften Ende Juli die ersten Jungtiere. Die Inkubationszeit dauerte folglich in etwa 64 Tage. Wenn die Kleinen aus dem Ei schlüpften, lag die Carapaxlänge zwischen 28 und 40 mm. In der Natur verbleiben die Schlüpflinge noch zirka 12 Tage im Nest, ehe sie zum Wasser wandern. 1995 gab es wegen eines kühlen und verregneten Junis eine wesentlich geringere Schlupfrate als 1996.

Die häufigsten Nesträuber sind Waschbären, Fischreiher und Gürteltiere. 86 Prozent der geschützten und observierten Nester wurden von diesen drei Prädatoren angegriffen. 24 Prozent der verbliebenen Eier wurden von Wirbellosen zerstört, unter anderem auch von der eingeschleppten roten Feuerameise. An Land befindliche Weibchen werden oft von Waschbären attackiert und getötet (Jones & Selman 2009).

Lebenserwartung:

Über die Lebenserwartung ist noch nichts Sicheres bekannt. Aber adulte Exemplare, die 1988 und 1990 gefangen und markiert wurden, lebten auch 2009 noch. Damit ergibt sich ein Mindestalter von 24 bis 27 Jahren für Männchen und 30 bis 37 Jahren für Weibchen (Jones & Selman 2009). In Europa lebte im Jahr 2015 noch ein wildgefangenes Männchen, das 1980 adult erworben wurde. Zu diesem Zeitpunkt war es 38 Jahre alt und noch immer putzmunter (G. Kalter, pers. Mitteilung).

38 Jahre altes Männchen

Ernährung:

Beide Geschlechter und Jungtiere ernähren sich fast ausschließlich von Insekten und deren Larven. Über den Verzehr von Schnecken und Würmern wurde ebenfalls berichtet (Dundee & Rossman 1989, in Kofron 1991). Adulte Weibchen sah man auch schon, als sie Aas von toten Fischen fraßen (Jones & Selman 2009). Kofron (1991) fand in den Mägen von 29 sezierten Museumsexemplaren insgesamt 1078 Inhalte. Dabei handelte es sich überwiegend um Köcher und Eintagsfliegen und deren Larven, gefolgt von Käfern, Libellen und Libellenlarven und Pflanzen (Blüten von Astern). In 66 Prozent der Mageninhalte fand Kofron Stücke von Holz und Rinde, welches durch das Raspeln an Aufwuchs von submersen Ästen und Baumstämmen mitaufgenommen wurde. Lindeman (2009) beobachtete ein Männchen, wie es terrestrisch nach Insekten auf einem Baumstamm jagte. Das Männchen sprang sofort ins Wasser, nachdem es ein Insekt erwischt hatte.

Populationen:

Graptemys oculifera ist im Pearl River mit etwa 75 Prozent aller Schildkröten die überwiegende Art (Lindeman 1999). Mehrere Studien belegen, dass die Populationen von Graptemys oculifera seit den Fünfzigerjahren angestiegen, aber für die sympatrisch lebende Graptemys pearlensis seither stark gefallen sind.

Jones & Hartfield (1995) führten Rückfangmethoden an fünf Gebieten am Pearl River durch (drei davon unterhalb und zwei oberhalb des Reservoirs) und erstellten Populationsschätzungen nach der Jolly-Seber- und der Schnabel-Methode. Die Schnabel-Methode scheint mit 85 bis 341 Graptemys oculifera auf einen Flusskilometer vertrauenswürdigere Ergebnisse erzielt zu haben. Jedes der untersuchten Segmente hatte eine Länge von ca. 4,8 Flusskilometern. Das Segment bei Ratliff Ferry hatte aber nur 3,8 Kilometer in der Länge, aber mit Abstand die höchsten Fangquoten. 1517 G. oculifera wurden dort einfangen, davon 241 ein zweites oder drittes Mal. Nach dem Jolly-Seber-Modell würde das einer Population von 1170 Schildkröten per Flusskilometer entsprechen. In Carthage am Oberlauf des Pearl Rivers, ergaben beide Schätzungen ebenfalls unterschiedliche Ergebnisse: 245 bzw. 85 Schildkröten/km. Bei den drei Orten südlich des Ross Barnett Reservoirs, in Lakeland, Monticello und Columbia, sind die beiden Schätzungsmodelle relativ übereinstimmend und ergeben 182 bis minimal 131 Schildkröten auf einen Flusskilometer. Shively (1999, zit. in Lindeman 2013) geht von 22 bis 220 Schildkröten/km in fünf Segmenten im Bogue Chitto River aus. Insgesamt schätzt er 16.348 G. oculifera in diesem Nebenfluss.

Der Populationstrend in den fünf Segmenten des Pearl Rivers wurde weitere 20 Jahre (1989 – 2009) von Robert Jones beobachtet. Demnach sind die Populationen oberhalb und die nördlichste Population unterhalb des Ross Barnett Reservoirs stabil. In den zwei anderen Gebieten weiter südlich scheinen die Bestände allerdings rückläufig zu sein (Jones 2009, zit. in Bibb 2010).

Insgesamt steht es um Graptemys oculifera aber nicht so schlecht. Laut Peter Lindeman, (der anhand Sonnenbeobachtungen Vergleiche von allen Graptemys-Arten hat), ist G. oculifera nach G. caglei, G. pearlensis, G. gibbonsi, G. flavimaculata, G. barbouri und G. pulchra, die siebtseltenste Graptemys-Art (Lindeman persönliche Mitt., in van Dijk 2013).

Bedrohungen und Schutzmaßnahmen:

Bedrohungen entstehen durch Sedimentierung und bauliche Veränderung der Habitate (Staudämme und Flussbegradigungen), nicht native und subventionierte Nesträuber, illegale Absammlungen für den Tierhandel, indirektes Fangen von Fischern, Verfolgung durch Sportschützen und Wasserverschmutzung durch Abwässer. Über 21 Prozent des Pearl Rivers wurden baulich verändert. Die anthropogene Zunahme von Nestprädatoren in den letzten Jahren könnte sich deutlich auf eine Verschlechterung der Bestände in Zukunft auswirken (Jones 2006, Jones & Selman 2009). Die Störung der Niststrände und Sonnenplätze durch Camper und Boote ist an Wochenenden beträchtlich, aber an Wochentagen eher sporadisch. Die Weibchen meiden solche Sandbänke zum Nisten, dennoch scheint dies bei Graptemys oculifera eine geringe Bedrohung darzustellen (Jones 2006).

Erholungssuchende auf den Sandbänken in Coal Bluff.

Graptemys oculifera wurde bereits 1986 wegen zahlreicher negativer Faktoren und des Verlusts von Lebensräumen als bedrohte Art in den ESA (Endangered Species Act) aufgenommen. Dadurch konnten weitere Verbauungsprojekte, beispielsweise geplante Schiffskanäle, bisher sogar verhindert werden. Obwohl Graptemys oculifera schon so früh in den ESA aufgenommen wurde, ist sie dennoch nach wie vor eine der am schlecht erforschtesten Schildkröten Nordamerikas (Ernst & Lovich 2009, Lovich & Ennen 2014).

Für Graptemys oculifera wurde 1988 ein Erhaltungsplan erstellt, der mit geschätzten Kosten von 108.000 Dollar verbunden war. Sie gelten als gefährdet in Mississippi und als bedroht in Louisiana. In der Roten Liste der IUCN wurden sie 1996 als Endangered gelistet und 2010 auf Vulnerable abgestuft. Graptemys oculifera bewohnt viele angrenzende Schutzgebiete, welche am Pearl und Bogue Chitto River liegen (Jones & Selman 2009). Der Ringed Sawback Sanctuary ist 1990 vom Pearl River Valley Water Supply District eingerichtet worden und zugleich ein unter dem Namen Coal Bluff Park Campground bekannter Campingplatz. Dort wird durch ein riesiges Hinweisschild darauf aufmerksam gemacht, welche Anforderungen diese Schildkröten an ihren Lebensraum haben sollten. Außerdem dürfen dort keine Bäume und Äste gänzlich entfernt werden, sondern nur in Richtung Ufer verlagert werden, damit Boote passieren können (Lindeman 1999).

Seit 14. Juli 2006 wird Graptemys oculifera im Washingtoner Artenschutzübereinkommen auf Anhang III gelistet.

Graptemys oculifera in Menschenhand:

Mitte der Achtzigerjahre gab es die letzten Importe von Graptemys oculifera nach Europa (Hertwig 2001). Vor der Aufnahme in den Schutz im Jahr 1986 wurden diese Schildkröten in den USA noch mit 28 Dollar im Einzelhandel angeboten (U.S. Fish and Wildlife Service 1986).

Nach meinem Wissensstand waren bis 2001 noch Wildfänge von sieben Männchen und vier Weibchen im deutschsprachigen Raum vorhanden (Hertwig 2001). Es dürften zwar noch ein paar mehr gewesen sein, aber dennoch war dies eine sehr geringe Anzahl. Aus diesen wenigen Tieren sind die heute noch vorhandenen Bestände entstanden.

Auch in den Vereinigten Staaten gibt es eine bescheidene Anzahl Graptemys oculifera in Züchterkreisen. Diese sind hauptsächlich auf Kalifornien und Florida beschränkt, denn die Listung unter dem ESA verbietet nämlich den Handel zwischen den einzelnen Staaten (S. Enders, pers. Mitteilung).

In Zusammenarbeit mit der European Studbook Fundation wurde 2014 ein Zuchtbuch für Graptemys oculifera geschaffen. Damit soll der Fortbestand der Bestände in Europa, die sich leider bereits im genetischen Flaschenhals befinden, besser koordiniert werden. Es wäre gerade deswegen sehr wünschenswert und zugleich eine Bitte, dass mehr Personen ihre G. oculifera im Zuchtbuch registrieren lassen.

Die Haltung unterscheidet sich nicht wesentlich von G. nigrinoda und G. flavimaculata. Die Sawbacks sind in ihrer Ökologie zweifellos eigen. Schließlich sind alle drei Arten sehr eng miteinander Verwandt. Im Verhalten sind sie recht wuselig und aktiver als großköpfige Höckerschildkröten, aber trotzdem friedlicher als Graptemys versa, G. caglei, G. ouachitensis und G. pseudogeographica. Eine gemeinsame Haltung mit mehreren Sawbacks geht in den meisten Fällen gut.

Literatur:

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