Überwinterung von Höckerschildkröten

Seit einigen Millionen Jahren halten wildlebende Höckerschildkröten eine mehr oder weniger ausgeprägte Ruhephase im Winter. Das gilt auch für alle anderen Schildkröten in Nordamerika. Ihr Wachstum und ihr gesamter Organismus hat sich daran angepasst. Außerdem wird ihr Hormonhaushalt und somit auch der Fortpflanzungsrhythmus von diesem jahreszeitlichen Wechsel gesteuert.

Graptemys-Arten die weiter nördlich verbreitet sind (G. geographica, G. pseudogeographica pseudogeographica und G. ouachitensis) halten eine richtige Winterstarre (Hibernation). Die von ihnen bewohnten Flüsse, frieren in den kalten Monaten meistens zu und die Wassertemperaturen sinken auf bis zu 2° C. Höckerschildkröten vergraben sich nicht im Schlamm, wie es von anderen Schildkrötengattungen bekannt ist, sondern verkeilen sich unter Steinen oder submersem Geäst und Wurzeln. Darüber hinaus überwintern sie in unmittelbarer Nähe von anderen Schildkröten, weil sie Bereiche mit sauerstoffreichem Wasser aufsuchen. Es gibt Berichte darüber, dass sie sich oftmals bewegen oder sogar schwimmen, auch wenn sie unter Eis eingeschlossen sind. Während der Überwinterung ist die Herzfrequenz weitaus niedriger als bei warmen Temperaturen. So schlägt das Herz nur noch siebenmal bei Umgebungstemperaturen von 10° C, während ein Puls von 92 Herzschlägen per Minute bei einer Körpertemperatur von 40° C gemessen wurde. Graptemys-Schlüpflinge aus nördlichen Breitengraden überwintern nicht im Wasser, sondern verbleiben nach dem Schlüpfen bis zum nächsten Frühjahr im Nest. Der Grund für das terrestrische Überwintern liegt vermutlich in der Unfähigkeit für längere Zeit im sauerstoffarmen Wasser zu überleben. Dafür besitzen sie allerdings die Fähigkeit Temperaturen unter dem Gefrierpunkt zu trotzen. Temperaturen in Nestern von -5,4° C in Indiana bis zu -8,4° C in Pennsylvania sind bekannt (Review in Lindeman 2013).

Bei den Höckerschildkröten, die entlang der Golfküste in Georgia, Alabama, Mississippi und Louisiana leben, ist es zwar so warm, dass diese bewohnten Flüsse meist nicht zufrieren, aber trotzdem ist mit einer geringen Aktivität von November bis März zu rechnen. Dies betrifft folgende Arten: G. pseudogeographica kohnii, G. ouachitensis, G.  barbouri, G. ernsti, G. pulchra, G. gibbonsi,  G. pearlensis, die Sawbacks (nigrinoda, flavimaculata & oculifera) und G. sabinensis. Im späten Oktober kann in den Herkunftsgebieten dieser Arten die Tagestemperatur bereits unter 10° C fallen. Die Wassertemperaturen liegen in den Wintermonaten zwischen 5 und 15° C. In besonders kalten Wintern können auch diese Flüsse zufrieren. An warmen Wintertagen gibt es Berichte über geringe Aktivität. Die Schildkröten sonnen sich dann auch mal, werden aber trotzdem bei unter 15 Grad Wassertemperatur kaum Nahrung aufnehmen. Während dieser Phase, in der sie keine Nahrung aufnehmen, aber trotzdem aktiv sind, verbrauchen sie eine Menge Energie. Deshalb ist für unsere Zwecke eine durchgehende und kontrollierte Überwinterung bei 6 bis 10° C für diese Tiere das Beste.

Es gibt auch Bestände, die aufgrund der weit südlichen Verbreitung eher ganzjährig aktiv sind, das sind Graptemys barbouri im nördlichem Florida und die beiden Texaner (Graptemys versa und caglei).

Im Internet kursieren leider immer noch Berichte darüber, dass eine Überwinterung von Wasserschildkröten Tierquälerei sei. Personen, die Derartiges veröffentlichen, haben sich leider nicht ausreichend mit dieser Thematik befasst.

Oft suchen Neueinsteiger nach tropischen Arten. Zum einen, weil anfangs jeder Angst vor dem Einwintern hat - das ging auch mir so. Zum anderen hört man oft: „Wir möchten eine Schildkröte, die keine Überwinterung braucht, damit wir möglichst viel von ihr haben.“... Aber will man das auch für die nächsten 40 bis 60 Jahre?

Nicht jeder Mensch ist dafür geschaffen, sich solange Zeit für etwas zu begeistern.

Schildkröten, die eine Überwinterung brauchen, bringen da mehr Abwechslung rein. Im Winter sind sie nun mal weg und man freut sich umso mehr aufs Frühjahr, wenn man sie auswintert. Bis zum frühen Herbst sind sie voll aktiv und es wird bis dahin auch nicht langweilig. Bereits Ende September werden sie deutlich ruhiger und man macht sich wieder Gedanken über das Einwintern. Nach ein paar Jahren ist die Traurigkeit auch nicht mehr ganz so groß, dass sie für ein paar Monate nicht da sind.

Vorbereitung zum Einwintern:

Wenn das Aquaterrarium im Wohnraum steht, ist die Einwinterung ein bisschen komplizierter, da die Temperatur normalerweise nicht unter 20° C sinkt. Aber das lässt sich durch die Reduzierung der Beleuchtungszeit lösen, denn die Tageslichtlänge ist für sie ebenso entscheidend.

Am besten beginnt man Anfang November mit der Vorbereitung. Ob man zwei Wochen früher oder später damit anfängt, ist den Schildkröten völlig egal. Der Winter kommt schließlich auch nicht jedes Jahr am 1. Dezember.

Ist im Oktober die Beleuchtung noch auf 10 Stunden eingestellt und die Wassertemperatur noch bei über 20° C, steckt man mit Beginn der Vorbereitungszeit als erstes den Regelheizer aus, dadurch sollte die Wassertemperatur auf 20° C oder darunter sinken.

Die Beleuchtungszeit wird nun kontinuierlich reduziert bis sie nach zwei oder drei Wochen nur noch 2 Stunden täglich eingeschaltet ist. Ob man die Beleuchtungszeit einmal oder zweimal pro Woche oder sogar täglich reduziert, ist wiederum völlig egal. Ich mache es selbst jedes Jahr ein bisschen anders und es funktioniert immer.

Die Tiere schlafen dann tagsüber auch schon teilweise und manche fressen dann schon weniger oder gar nichts mehr. Keine Angst, das ist völlig normal. Es wird aber trotzdem weiter gefüttert. Manche sind sogar noch viel aktiver und fressen auch noch mehr.

Eine Graptemys gibbonsi Mitte November: Trotz Tageslicht und eingeschalteter Beleuchtung verkauert er sich auch tagsüber bereits schutzsuchend und schlafend unter einer Wurzel.

Ist man nach zwei oder drei Wochen bei 2 Stunden Beleuchtungszeit angekommen, sollte nicht mehr gefüttert werden, damit sämtliches Futter bis zum Einwintern verdaut wird. Die Beleuchtung kann nun ganz abgeschaltet werden und die Schildkröten bleiben noch 1 bis 3 Tage im unbeleuchteten Aquarium. Danach kommen sie einzeln in das Überwinterungsquartier.

Dafür können kleine Aquarien, Stapelboxen oder Plastikboxen mit Deckel (in die natürlich Löcher für die Luftzufuhr gebohrt werden müssen) verwendet werden. Je nachdem, wie und wo man die Schildkröte überwintern will und wieviel Platz zur Verfügung steht. Meine Schildkröten überwintern alle in transparenten Plastikboxen. Im Überwinterungsquartier sollte der Wasserstand so hoch sein, wie der Panzer der Schildkröte breit ist, damit sie sich zurück drehen kann, falls sie auf den Rücken fällt.

In die Boxen gebe ich immer 2 bis 3 cm Sand und etwas Buchenlaub. Wozu die Mühe mit dem Sand? Wenn sie nur auf dem blanken Boden sitzen, werden sie sich während der gesamten Überwinterung sehr unwohl fühlen, weil es ganz einfach unnatürlich für sie ist. Das Laub sorgt für zusätzliche Deckung. Schildkröten suchen oft unter etwas Schutz und fühlen sich sicherer, wenn etwas ihren Rückenpanzer bedeckt. Die abgegebenen Gerbstoffe des Laubes wirken außerdem bakterienhemmend.

 

Das Laub sammelt man am besten im späten Herbst. Noch besser wäre es, wenn es bereits im Jahr zuvor gesammelt wird, weil es dann den Sommer über gut trocknet. Es sollte nämlich trocken und nicht zu frisch sein, sonst verrottet es.

Bewährt hat sich Buchen- und Eichenlaub. Als Sand verwende ich, wie auch bei den Aquarien, Filtersand für Schwimmbecken aus dem Baumarkt.

Zum Befüllen verwendet man nur sauberes Wasser, damit es bei Graptemys auch während der Überwinterung zu keinen Panzer- oder Hautinfektionen kommt. Mit Wasser aus dem Aquarium ist es teilweise schon zu Panzerproblemen bei Höckerschildkröten gekommen. Vermutlich weil die im Wasser gelösten Filterbakterien während der Überwinterungszeit abgestorben sind. Ich verwende deshalb nur Leitungswasser und frischen Sand. Das Laub wird vorher noch mit kochendem Wasser übergossen, damit es gleich untergeht und nicht ewig an der Wasseroberfläche treibt.

Überwinterungsbox mit Sand, Laub und Schildkröte

Die Box mit der Schildkröte wird dann in einen Raum gestellt, in dem die Temperatur bei ca. 15° C liegt, eventuell in einem unbeheizten Abstellraum, Stiegenhaus etc. Auf jeden Fall sollte die Raumtemperatur noch bei über 10° C liegen. Dort bleibt sie nun noch zwei Wochen. In dieser Zeit wird die restliche Nahrung verdaut. So wird vermieden, dass es durch noch nicht verdautes Futter zu innerlichen Infektionen kommt, weil bei zu tiefen Temperaturen - vermutlich unter 5° C - kein Magensaft mehr produziert wird (Pfau & Wiechert 2003).

In einem beheizten Raum erreicht man diese Temperatur normalerweise, indem man ein Fenster kippt. Die Box aber nicht direkt unters Fenster stellen, denn dort ist der Luftzug am kältesten. Sie kann auch in einen Schrank gestellt werden, dort ist es bereits dunkel und die Temperatur ist beständiger. Falls so ein mittelmäßig kühler Raum nicht zur Verfügung steht, kann sie auch gleich in einen Kühlschrank mit vorgesetztem UT 300 gestellt werden.

Wird nach diesen zwei Wochen nochmals Kot abgesetzt - was man durch das Laub nicht sieht - muss entweder nochmals das Wasser gewechselt werden oder man gibt die Schildkröte in eine zweite vorbereitete identische Überwinterungsbox.

Erst dann geht es ab in den Kühlschrank, in den Nebenraum oder in den Keller wo die Temperatur zwischen 6 bis 10° C liegen sollte. Nur an einem außerordentlich ruhigen Platz ist auch eine Überwinterung bei bis zu 12° C möglich.

Da ich keinen Keller habe, kann ich nicht über die Überwinterung im Keller berichten. Grundsätzlich ist es aber so, dass Keller von Neubauten durch die heutigen Isolierungsanforderungen wahrscheinlich nicht mehr kalt genug werden. Ältere Keller eignen sich da besser. Strebt man eine Überwinterung im Keller an, sollte auf jeden Fall einen Winter zuvor bereits überprüft werden, welche Temperaturen dort herrschen

Kontrolle:

 

Während der Überwinterung müssen die Schildkröten einmal in der Woche kontrolliert werden. Am besten geht das mit einer schwachen Taschenlampe. Es darf sich an der Haut, dem Panzer oder an den Augen nichts verändern. Das Wasser muss während der gesamten Überwinterung nicht gewechselt werden.

 

Sicherheitshalber besteht die Möglichkeit, bereits im frühen Herbst eine Kotprobe untersuchen zu lassen. Wenn die Schildkröte aber offensichtlich gesund ist, halte ich das nur für unnötigen Stress. Es ist auch ausreichend, wenn man die Schildkröte zu Beginn der Vorbereitungszeit und dann beim direkten Einwintern jeweils abwiegt. Innerhalb dieser drei Wochen, in denen sie nichts mehr zu fressen bekommen, sollte kein  gravierender Gewichtsverlust feststellbar sein. Während der Starre wiege ich die Schildkröten nicht, da manche Wasser in ihre Schwimmblase aufnehmen und somit sogar oft schwerer werden. Kranke Tiere dürfen natürlich nicht überwintert werden.

 

Für die Überwachung der Temperatur eignen sich Min Max Thermometer mit Fernfühler.

Wie lange sollte überwintert werden?

Die Höckerschildkröten-Arten, die entlang der Golfküste leben, mindestens zwei bis drei Monate. Die weiter nördlich vorkommenden Arten mindestens drei Monate. Zwei Wochen mehr oder weniger ist wieder eine Sache, die den Schildkröten absolut egal ist.

Jungtiere:
 

Im ersten Lebensjahr können die Kleinen überwintert werden, müssen sie aber nicht. Wenn man überhaupt das erste mal Schildkröten hält, ist es besser, wenn man sich erst einmal mit der Sache und dem Tier vertraut macht. Den eher stressempfindlichen Graptemys bleibt somit auch mehr Zeit um sich einzugewöhnen und der Halter kann sich genug Gedanken über die zukünftige Überwinterungsmethode machen. Bleiben die Jungtiere stattdessen im Aquaterrarium mit einfallendem Tageslicht durchs Fenster, reagieren sie darauf. Auch wenn die Beleuchtung dann im Winter noch länger als das Tageslicht geschaltet ist, werden auch sie ruhiger und fressen weniger. Die Wassertemperatur sollte nicht unter 20° C sinken und die Beleuchtungszeit nicht unter 8 Stunden eingestellt werden, sonst stellen sie möglicherweise die Futteraufnahme ganz ein. Aus diesem Grund ist von der oft erwähnten verminderten Aktivitätsphase - mit Temperaturen unter 20° C und ohne Beleuchtung - abzuraten, weil gerade den Kleinen und den Männchen dies sonst ganz schön an die Substanz geht (Hertwig 2001).

Auswintern:

Nach den zwei bis drei Monaten lässt man die Temperatur innerhalb von ein paar Tagen wieder auf ca. 15° C steigen. Danach kommen sie für ein bis drei weitere Tage in einen Raum mit Tageslicht und normaler Zimmertemperatur. Dort wird die Schildkröte innerhalb von Stunden wieder aktiv. Wenn sie in der Box schon sehr unruhig wird, setzt man sie wieder zurück ins Aquarium.

Anfangs sind sie noch sehr träge und können nicht so gut schwimmen. Man sollte sich dann ein paar Stunden Zeit nehmen und genau beobachten, ob die Schildkröte schon so gut schwimmen kann, dass sie nicht ertrinkt. Bisher konnten meine Höckerschildkröten aber immer so gut schwimmen, dass sie mit einem hohen Wasserstand zurecht kamen. Meist hat sich die Überwachung nach dem ersten mal Luftholen erübrigt. Mit dem Füttern kann oft am nächsten Tag schon wieder begonnen werden.

Nach der ersten erfolgreichen Überwinterung sieht man das Ganze viel gelassener, denn abgesehen von der Simulation der Temperatur, machen den Rest die Schildkröten selbst.

Literatur:

Hertwig, S. (2001). Ökologie, Haltung und Fortpflanzung im Terrarium von Graptemys caglei, G. flavimaculata, G. nigrinoda nigrinoda und G. oculifera. Salamandra, 37(1), 21–48.

Lindeman, P. V. (2013). The Map Turtle and Sawback Atlas: Ecology, Evolution, Distribution, and Conservation of the Genus Graptemys. Norman: University of Oklahoma Press.

Pfau, B. & J. M. Wiechert (2003). Gedanken zur Fütterung von Wasserschildkröten. Emys, 10(4), 4–50.

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